Bildungsleitlinien

Wie die neuen Bildungspläne das Lernen unterstützen können – zwischen Selbstbildung und Projektarbeit

(Auszug aus Kinderzeit 01/2006, ergänzt von A. Pagalies)

Wieso ist der Himmel blau? Wie kommt der Strom in die Steckdose? Weshalb können Vögel fliegen? Wie weit ist es bis ins Weltall? Kann man Gott sehen? Kinder stellen viele Fragen. Manche davon überfordern uns, da wir darüber noch nicht nachgedacht haben oder nicht über das Wissen verfügen, um sie beantworten zu können.

Wie viel interessanter wäre unser Kindergartenalltag, wenn wir uns selbst dafür interessieren würden, weshalb es blitzt, wieso ein Auto fährt, ob Hunde traurig sein können. Wenn wir den Kindern sagen würden: „Das weiß ich nicht genau, aber das werden wir gemeinsam herausfinden!“

Gerade bei Projektthemen wird deutlich, was als Co-Konstruktion bezeichnet wird. Dieser Begriff meint, dass die kindliche Entwicklung das gemeinsame Werk des jeweiligen Kindes, von Erwachsenen und anderen Kindern ist. In einem begrenzten Bereich ist auch eine reine Selbstbildung möglich, z.B. wenn ein Kind alleine etwas untersucht; in der Regel findet Bildung aber in einem sozialen Kontext statt, eben in der Interaktion, im Gespräch, im Spiel mit anderen: WISSEN WIRD GEMEINSAM „KONSTRUIERT“.

Da in Projektthemen das Lernen spiralförmig verläuft - man dringt immer tiefer in die jeweilige Thematik ein - eignen sie sich besonders gut zur Förderung der lernmethodischen Kompetenz. In Reflexionsphasen wird während des Projektes immer wieder überlegt: 1. Was die Kinder gelernt haben und 2. Wie die Kinder gelernt haben.

Im Rahmen eines längeren Projektes können alle Kompetenzen von Kindern gefördert werden. Die Bildungsleitlinien des Landes stellen hierbei eine gute Orientierung da und sind ein wichtiges Instrument für die Gestaltung des Projektes. Alle Bereiche die dort gesetzlich als Bildungsleitlinien festgehalten sind, fließen in unsere praktische Arbeit ein:

  1. Musisch-ästhetische Bildung, Medien (Musisch-ästhetische Bildung, Medien)

  2. Religion, Philosophie, Ethik (Religion, Ethik, Philosophie)

  3. Naturwissenschaft, Mathematik, Technik (MATHEMATIK, NATURWISSENSCHAFT, TECHNIK)

  4. Sprache, Schrift, Kommunikation (SPRACHE(N), ZEICHEN, SCHRIFT)

  5. Bewegung, Körper, Gesundheit (Körper, Gesundheit, Bewegung)

  6. Politik, Gesellschaft, Kultur (KULTUR, GESELLSCHAFT, POLITIK)

Projekte dürfen also nicht einseitig aufgezogen und gestaltet sein. Es muss sichergestellt sein, dass innerhalb eines Projektes alle Bildungsbereiche berücksichtig werden. Bildungsleitlinien und die Dokumentationspflicht stellen also eine Art „Korrektiv“ dar. Sie sollen sicherstellen, dass alle Kindertagesstätten alle Kompetenzen von Kindern fördern und alle Bereiche berücksichtigen. Für die meisten Kindertagesstätten bedeuten die Leitlinien in der praktischen Arbeit nicht viel Neues, wohl aber in der Vor- und Nachbereitung des Gruppenalltages. Eine ausführliche Dokumentation der Bildungsinhalte, sowie die erweiterten Beobachtungen des einzelnen Kindes und ebenfalls auch hier jetzt die Pflicht des Dokumentierens, kosten viel Zeit, machen aber ebenso viel Spaß und die eigene Arbeit transparenter und fachlich fundierter.

Durch die Dokumentation der Bildungsleitlinien können wir also nun unsere eigene Arbeit immer wieder überprüfen und feststellen, welche Inhalte wir bevorzugen, wo unsere Stärken und Schwächen liegen, und uns in diesen Bereichen ggf. noch mehr fortbilden zu lassen oder Unterstützung von Kolleginnen in Anspruch nehmen.

Wichtig bei der Umsetzung ist außerdem der Aspekt, dass es zu keiner Verschulung kommen darf.

Ein „Fachunterricht“ widerspricht den Prinzipien des frühkindlichen Lernens: Dieses basiert auf ganzheitlichem Lernen, Erfahrungslernen, Selbsttätigkeit, Mitbestimmung und methodischer Offenheit. Nur so kann Kindern für die Schule Lernmotivation mit auf den Weg gegeben werden. Kleingruppenarbeit, selbsttätiges Lernen und Forschen ebnet den Kindern den Weg zu Lernfreude, macht sie neugierig, interessiert und lerneifrig.

Während der einjährigen Erprobungsphase haben wir noch einmal ganz genau unsere Arbeit unter die Lupe genommen, zielgerichtet Materialien zu bestimmten Bereichen ergänzt, erste Fortbildungen besucht und unsere persönlichen Schwerpunkte in der Arbeit reflektiert. Wir wollen versuchen die neuen Aspekte wie z.B. Partizipation und die Kindzentriertheit umzusetzen und mit Leben zu füllen. Wir wollen also nicht nur die Bildungsbereiche abhaken, sondern nehmen sie als neue Herausforderung an. Unser Ziel ist es:

Kinder besser zu beobachten, um ihre Lebenswelt und Art des Lernens besser zu verstehen

unsere Räume und Materialien so zu gestalten und auszuwählen, dass Kinder neugierig und angeregt werden sich damit auseinander zu setzen

wir wollen Bildung als lebenslangen Prozess verstehen und somit selbst Vorbildfunktion übernehmen, wenn es um Aneignung von Bildung geht

den neuen Ansatz der Kindzentriertheit wollen wir richtig verstehen und umsetzen, d.h. wir sehen uns als „Möglichmacherin“ und Entwicklungsbegleiterin. Wir nehmen Kinder und ihre Ideen ernst und sind nicht mehr „Macherin“ und bedienen die Kinder mit fertigen Angeboten, sondern planen gemeinsam mit Eltern und Kindern unseren Kindergartenalltag

Mit viel Freunde und hochmotiviert gehen wir an unsere Arbeit und es macht Spaß zu sehen, wie begeistert Kinder und Eltern gemeinsam mit uns den neuen Bildungsweg beschreiten.